Habe gerade meine Fotos gesichtet und festgestellt, dass ich wieder viel zu viele gemacht habe. Ok, so viele wie in Sri Lanka waren es nicht, aber immerhin deutlich mehr als 1.000. Da muss ich noch ordentlich reduzieren. Aber es sind auf jeden Fall einige sehr schöne dabei, die ich euch zu späterer Zeit präsentieren werde.
Es folgt der Bericht des vorletzten Reisetages, gleichzeitig einem der Höhepunkte: die berühmtesten Anlagen der archäologischen Zone von Angkor, die inzwischen rund 5 Mio. Besucher im Jahr verzeichnet (vor allem aus China, Japan, Korea und Malaysia).
Angkor Thom
Die ‚Große Hauptstadt‘ wurde Ende des 12. Jahrhunderts auf Geheiß Jayavarmans VII. als neue und letzte Hauptstadt des Angkorreiches errichtet, nachdem die Cham die alte zerstört hatten. Jayavarman VII. regierte 30 Jahre lang und gilt als einer der bedeutendsten Herrscher Angkors. Im Einzugsgebiet Angkor Thoms lebten zur Blütezeit schätzungsweise 1 Mio. Menschen (vgl. Siem Reap heute: rund 25.000 Einwohner). Damit war die Stadt zur damaligen Zeit eine der größten Städte der Welt.
Sehenswert sind vor allem der Bayon mit seinen Gesichtertürmen, die alle Jayavarman VII. darstellen, der sozusagen alles im Blick hatte. Außerdem besuchen wir die Elefantenterrasse und die sogenannte Terrasse des Leprakönigs – Festterassen, von denen die Herrscherfamilie und hochgestellte Persönlichkeiten eine gewaltige Freifläche überblickten konnten, auf der Aufmärsche und andere Festlichkeiten stattfanden. Obwohl es noch nicht mal 11:00 Uhr ist, läuft uns schon wieder der Schweiß. Anschließend muss sich unser Reiseleiter an einem der Verkaufsstände erst mal mit einem neuen Shirt eindecken.
Ta Prohm
Der Tempel, der durch den Film „Tomb Raider II“ mit Angelina Jolie bekannt wurde. Der Film war nicht der Knaller, aber die Szene mit den lebendig werdenden Steinskulpturen im Tempel war schon eindrucksvoll. Tatsächlich gibt es keine Skulpturen in Ta Prohm. Die echten stehen heute sowieso alle im Museum in Phom Phen oder Siem Reap – wenn sie nicht vorher gestohlen wurden. Wie sagte unser Reiseleiter so schön? Der Kopf macht gerade Urlaub in … (Thailand, USA, Frankreich oder anderswo). Meist handelt es sich um Auftragsdiebstähle und oft wird wirklich nur der Kopf gestohlen. Dass die Diebe selbst von Kunst keine Ahnung haben, zeigt sich daran, dass selbst erneuerte, aus Beton gegossene Köpfe abgesägt werden (in SOAsien gibt es eine Menge ‚Betonköpfe‘ 😉 ).
Die von mächtigen Luftwurzeln überwucherten Ruinen sind malerisch, mystisch und spektakulär. Noch besser würde sich ihre Wirkung freilich entfalten, wenn nicht Scharen chinesischer Touristen hindurch toben würden. Einmal kurz weggeschaut und schon habe ich meine Gruppe aus den Augen verloren – und das nicht nur einmal, sondern dreimal. Aber die Sonne steht tief und das Licht ist mild, so dass sich die richtige Stimmung für Fotos ergibt. Irgendwie schaffe ich es sogar, sie weitgehend frei von menschlichen Störfaktoren zu halten.
Zum Mittagessen fahren wir zurück ins Hotel. Kaum haben wir es uns auf der Terrasse gemütlich gemacht, geht ein Regenguss nieder, so dass ich vor den spritzenden Tropfen weiter an die Hauswand flüchte. So ein Mist! fluche ich. Hoffentlich klart es wieder auf. Angkor Wat im Regen zu besichtigen, wäre jammerschade.
Wir haben wohl genügend gutes Karma gesammelt. Bis wir aufbrechen, scheint die Sonne tatsächlich wieder. 🙂
Angkor Wat
Der größte Sakralbau der Welt und neben Borobodur (Java) und Bagan (Myanmar) eine der drei kunsthistorisch bedeutendsten Stätten Südostasiens, war Vishnu geweiht. Man nimmt an, dass Angkor Wat ein Totentempel war, da er als einziger Tempel der Khmer-Architektur nicht nach Osten, sondern nach Westen ausgerichtet ist, der Himmelsrichtung des Totengottes Yama. Etwa 37 Jahre wurde an Angkor Wat gebaut. Suryavarman II., der das Bauwerk in Auftrag gab, hat dessen Fertigstellung nicht mehr erlebt. Die Arbeiten scheinen nach dem Tod des Königs im Jahr 1150 bald eingestellt worden zu sein, da einige der Reliefs unvollendet blieben.
Die Anlage misst etwa 1,5 x 1,3 km. Der umlaufende Wassergraben ist beinahe 200 m breit und stellt den Ur-Ozean dar. Der Tempel im Zentrum der Anlage besitzt die üblichen fünf Türme (Prasats), die die fünf Gipfel des Heiligen Berges Meru symbolisieren. Die Architekten verfügten über raffinierte Kniffe, um beim Betrachter die maximale Wirkung zu erzielen. So ist der Zeremonialweg genau doppelt so lang wie das Gebäude breit ist, damit die Gläubigen nach dem Durchschreiten des Tores das gesamte Bauwerk im Blick hatten. Außerdem steigt der Weg leicht an und verlängert damit optisch den Weg. Die Basreliefs der unteren Galerie weisen mehr als 1000 m² Fläche auf. Sie stellen historische Szenen und Episoden aus dem Ramayana und Mahabarata sowie dem Schöpfungsmythos des ‚Quirlen des Milchozeans‘ dar und sind entgegen dem Uhrzeigersinn zu lesen.
Am Teich vor dem Tempel, in dem sich das Bauwerk fotogen spiegelt, versammeln wir uns bei schönstem Sonnenschein zum Gruppenfoto. Dann besichtigen wir die Reliefs. Während unser Reiseleiter uns die dargestellten Szenen erläutert und einen Handlungsabriss des Ramayana und Mahabharata gibt, verschwindet die Sonne hinter Wolken und unmittelbar darauf geht der zweite Gewitterregen des Tages nieder. Zum Glück stehen wir im Trockenen und wir lauschen so lange den Ausführungen unseres Reiseleiters, bis der Regen vorbeigezogen ist.
Den Aufstieg zu den oberen Terrassen mit den berühmten Apsaras und zum Allerheiligsten schenke ich mir diesmal, da ich die steinernen Tempeltänzerinnen, von denen keine der anderen gleicht, ebenso wie die Aussicht von der obersten Etage schon vor drei Jahren bewundert habe. Stattdessen schlendere ich noch ein wenig durch die Galerien und beobachte einen Affen dabei, wie er geschickt das Fruchtfleisch aus einer der Kokosnüsse schält, die an den Ständen zum Trinken angeboten werden. So leben nicht nur die Standbesitzer von den Touristen, sondern auch die Affen, von denen hier einige herumturnen – ganz so, als bewachten Hanumans Nachkommen noch immer die bildliche Darstellung der heldenhaften Tat ihres großen Generals, der Prinz Rama (eine Inkarnation Vishnus) dabei half, seine Frau Sita zurückzuholen, die von dem Dämonenkönig Ravenna nach (Sri) Lanka entführt worden war. Die fantasievolle Geschichte (ohne Happy End) ist nachzulesen im Ramayana, einem der beiden großen Epen Indiens, die sich auch heute noch größter Beliebtheit erfreuen. Inzwischen werden die Ereignisse nicht mehr in Stein gehauen wie auf der Westterasse des Angkor Wat, sondern in Bollywood auf Zelluloid und Chip gebannt. Die Schauspieler werden mit den Figuren, die sie verkörpern, quasi gleichgesetzt, so dass insbesondere die Darsteller Ramas, der die perfekte Tugend verkörpert, gute Chancen haben, aufgrund ihrer Beliebheit und Bekanntheit später zu Präsidenten aufzusteigen.
Wow, was für ein Tag! Mit dem heutigen Programm hätte man locker zwei Tage füllen können. Trotzdem möchte ich nicht eine Minute missen. Angkor hat mich erneut in seinen Bann gezogen und daran können weder Touristen noch Regenschauer etwas ändern.